Der Meister der klaren Linie: Hergé

Der Meister der klaren Linie: Hergé

Fragt man jemanden nach berühmten Belgiern, fällt die Antwortliste meist recht kurz aus. Doch eins ist sicher: Neben Jacques Brel und Georges Simenon dürfte sich auch Georges Prosper Remi finden, der unter dem Pseudonym „Hergé“ als Schöpfer von „Tim und Struppi“ weltbekannt geworden ist. Geboren am 22. Mai 1907 in Etterbeek bei Brüssel, wuchs er in einem ebenso konservativen wie katholischen Milieu auf. In der Schule langweilte er sich eher, war aber mit Begeisterung bei den (katholischen) Pfadfindern dabei. In einem Pfadfindermagazin veröffentlichte er denn auch seine ersten Illustrationen und 1923, mit 15 Jahren, seinen ersten Comic: Eine Serie um einen Pfadfinder namens „Totor“. Ab 1925 arbeitete er dann für die katholische Zeitung „Le XXe Siècle“, deren Herausgeber ihn mit der Produktion einer Jugendbeilage beauftragte.

Hierfür beschloss er, im Stil der amerikanischen Comics eine eigene Geschichte mit Sprechblasen zu zeichnen und so erschien am 10. Januar 1929 der erste Hergé und Tim auf Briefmarke aus BelgienComicstrip über einen jungen Reporter namens „Tintin“. Die „Im Lande der Sowjets“ spielende und betitelte Geschichte entstand nach einer strikt antibolschewistischen Vorlag und bot nur ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Umstände, zudem war Hergé „am Anfang seiner Karriere ein lausiger Zeichner“ (Andreas Platthaus), dennoch wurde die Serie schnell ein Riesenerfolg: Am Ende der Serie wurde die Rückkehr von Tim aus der Sowjetunion angekündigt und mit einem Schauspieler am Brüsseler Bahnhof vor einer großen Menschenmenge umgesetzt.

Als nächstes wurde Tim in den Kongo geschickt, in eine Geschichte voller Stereotype und Rassismus, die kritiklos dem Tim im Kongo auf Briefmarkenblock aus dem Kongo von 2001belgischen Kolonialismus huldigte und noch heute umstritten ist. Dafür verbesserte sich Hergés Zeichenstil, er fand seine eigene, die „klare Linie“ und auch inhaltlich wurde es besser: Für „Der blaue Lotus“ wurde Hergé mit dem chinesischen Studenten Tschang Tschong-Jen bekannt gemacht, der ihm die Schauplätze und die Kultur nahe brachte. Die deutsche Besetzung Belgiens brachte das Ende von Hergés Jugendbeilage und er fasste einen verhängnisvollen Entschluss: Fortan produzierte er Tims Abenteuer für die Zeitung „Le Soir“, die nun als Sprachrohr der Besatzer fungierte. Außerdem illustrierte er Schriften der belgischen Faschisten, von denen einige zu seinen engen Freunden zählten.

Ein belgischer Block aus 2007 zeigte alle "Tim und Struppi"-CoverTrotz des Krieges schuf  Hergé in dieser Zeit einige der schönsten „Tim und Struppi“-Geschichten wie „Das Geheimnis der Einhorn“ und „Der Schatz Rackhams des Roten“ sowie „Die sieben Kristallkugeln“ und „Der Sonnentempel“. Figuren wie „Käpitän Haddock“ und „Professor Bienlein“ wurden etabliert, der Humor der Geschichten speiste sich vorrangig aus des Zeichners Vorliebe für Slapstick-Einlagen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Hergé mehrmals wegen Kollaboration verhaftet und mit Berufsverbot belegt. Die folgende Zeit verbrachte er mit der Überarbeitung und Kolorierung der älteren „Tintin“-Geschichten, bis ihn Ende 1946 der Publizist Raymon Leblanc für ein neues Magazin namens „Tintin“ engagierte. Das Magazin wurde schnell ein großer Erfolg und Hergé so stark in Anspruch genommen, dass er weitere Zeichner anheuern konnte und 1950 sein eigenes „Studio Hergé“ gründen konnte.

Im selben Jahr traf Tim die ersten Vorbereitungen für seine Mondlandung, lange vor den Amerikanern. 1952 erschienen die „Abenteuer von Tim und Struppi“ zum ersten Mal in Deutschland, mittlerweile sind die 24 Abenteuer weltweit in 97 Sprachen erschienen. Hergé, der wohl einflussreichste europäische Comiczeichner, starb vor 30 Jahren am 3. März 1983 und verfügte, dass die Serie mit seinem Tod eingestellt wird. Auf Briefmarken sind „Tim und Struppi“ in zahlreichen Ländern erschienen, natürlich sehr häufig in Belgien (wo 1979 mit  Tim zum ersten Mal eine Briefmarke mit Comicmotiv erschien) und Frankreich, zuletzt Ende 2012 in Monaco.

Haddock und Tim auf monegassisch: Briefmarke aus Monaco 2012Und Hergés Werk wird nach wie vor geschätzt: Im Jahr 2009 wurde in Louvain-la-Neuve das „Musée Hergé“ eröffnet, das erste Museum, das einem Comiczeichner gewidmet ist, und 2012 wurde eine Originalzeichnung von Hergé in Paris für die Rekordsumme von 1,21 Millionen Euro versteigert.

Um auf den Anfang zurück zu kommen: Kennen Sie noch andere Belgier, die ähnlich berühmt sind?

Authored by: Udo Angerstein

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