„… ich liebe meine Frau“

Heinrich Lübke auf Briemarke, MiNr. 1158, 1982

Heinrich Lübke auf Briemarke, MiNr. 1158, 1982.

Bundespräsidenten sind ein beliebtes Motiv für Briefmarken, auch wenn die einzelnen Präsidenten mal mehr, mal weniger präsidial in ihren Äußerungen und Handlungen sind. Man erinnere sich nur an die verbalen Fettnäpfchen von Heinrich Lübke, der ein Auditorium in Liberia angeblich mit „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger, …“ begrüßte… Die jüngsten Präsidentenbesetzungen waren bereits im Vorfeld der Präsidentenwahlen skandalös. Während das Satiremagazin Titanic die parteitaktischen Spielchen mit einem eigenen Vorschlag für Roberto Blanco als Kandidaten mit der auf Lübke abzielenden Titelzeile „Warum nicht mal ein Neger…?“ kommentierte, wurde dann doch 2004 Horst Köhler Bundespräsident. Dieser trat dann aber nach seinen missverständlichen Äußerungen zum kriegerischen Schutz wirtschaftlicher Interessen zurück; er empfand die mangelnde Rückendeckung durch seine Regierungspartei unerträglich. Der 2010 folgende Christian Wulff wurde nicht zuletzt auch wegen seiner Salamitaktik, mit der er Informationen zu privaten Krediten und vermeintlichen Bevorteilungen preisgab, zum unvermeidlichen Rücktritt gedrängt. Mit Joachim Gauck ist die Republik wieder in ruhigeres Fahrwasser eingetreten. Seine Lobpreisung der Freiheit und der Verantwortung scheinen überlegt und wahrlich präsidial.

Gustav Heinemann auf Briefmarke, MiNr. 431, 1972

Gustav Heinemann auf Briefmarke, MiNr. 431, 1972.

Ein ganz besonders „präsidialer Präsident“ war allerdings Gustav Walter Heinemann, der heute vor 115 Jahren auf die Welt kam. Als Gründungsmitglied der CDU war er zunächst unter Konrad Adenauer ab 1949 der erste Bundesinnenminister der Nachkriegszeit. Ebenfalls als erster Minister trat er dann wieder zurück, nachdem die adenauerischen Pläne zur Wiederbewaffnung eines deutschen Heeres publik wurden. Seinen Rücktritt begründete er unter anderem damit,  „daß die antidemokratischen Neigungen gestärkt und die Remilitarisierung die Renazifizierung nach sich ziehen wird.“

Von der Politik seiner Partei erschrocken und enttäuscht trat er 1952 konsequent aus der CDU aus, um anschließend eine eigene Partei, die „Gesamtdeutsche Volkspartei“ (GVP), zu gründen. Mit dabei war übrigens ebenfalls ein späterer Bundespräsident, Johannes Rau. 1957 trat er dann, wie die meisten anderen seiner Genossen, zur SPD über und wurde schließlich in der Großen Koalition unter Kurt Georg Kiesinger auf Empfehlung von Willy Brandt Justizminister. In dieser Zeit stieß er einige wichtige Reformen an, welche der bundesdeutschen Justiz im Wesentlichen ihr heutiges liberales und soziales Gesicht  verliehen und den deutschen Obrigkeitsstaat zurückdrängten. Heinemann schuf die Strafbarkeit von Homosexualität und Ehebruch ab und verlangte eine Resozialisierungskomponente bei Freiheitsstrafen, zuvor noch martialisch Zuchthausstrafen genannt. Bagatelldelikte wurden zu Ordnungswidrigkeiten und uneheliche mit ehelichen Kindern gleichgestellt.

Gustav Heinemann auf Briefmarke, MiNr 2067, 1999

Gustav Heinemann auf Briefmarke, MiNr 2067, 1999.

1969 wurde Gustav Heinemann dann zum dritten Bundespräsidenten gewählt und ebnete damit den Weg für SPD-geführte Landesregierungen und letztlich auch die erste SPD-geführte Bundesregierung unter Willy Brandt. Carlo Schmidt, vormaliger Bundespräsidentschaftskanditat und renommierter Staatsrechtler, begründete diese Entwicklung in seinen Erinnerungen: „Daß Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten gewählt wurde, beseitigte in der öffentlichen Meinung das letzte Vorurteil über die Regierungsfähigkeit der SPD“. Heinemann galt als sehr bürgernah und bei Empfängen und Veranstaltungen lud er auch Menschen ein, deren Beruf oder Status als Müllmann, Krankenschwester, Gastarbeiter oder Zivildienstleistender nicht besonders hohes Ansehen genoss. Heinemann initiierte während seiner Amtszeit 1970 die Einrichtung der Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung (DGFK). Träger aus Bund, Ländern, Gewerkschaften und Kirchen förderten die Gesellschaft mit 3 Millionen DM jährlich. Im Vergleich dazu lag das Budget für Rüstungsforschung zum damaligen Zeitpunkt bei 19 Milliarden DM. Der kritische und oft kritisierte Politiker antwortete einmal auf die Frage, ob er denn sein Land nicht liebe: „Ach was, ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau; fertig!“


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Authored by: Boris M. Hillmann

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