Praxistipp: Altdeutschland

Praxistipp: Altdeutschland

Kann man heute noch mit ĂŒberschaubarem Budget eine Sammlung mit Briefmarken der Altdeutschen Staaten beginnen? Mit Aussichten auf Komplettierung, ohne sich in ĂŒbermĂ€ĂŸige Kosten zu stĂŒrzen und mit möglichst geringem Risiko, auf FĂ€lschungen hereinzufallen?

Wer erstmalig das Abenteuer wagen will, in die FrĂŒhzeiten der Deutschland-Philatelie einzutauchen und Postwertzeichen aus dem vorletzten Jahrhundert zu erkunden, steht vor der Frage: Wie kann ich am besten einsteigen und vorgehen?

Tipp 1

Nehmen Sie sich nicht zu viel auf einmal vor. Altdeutschland ist ein Sammelbegriff fĂŒr recht unterschiedliche Teilgebiete, die eine individuelle Betrachtung verdienen. Ihre Anordnung nach alphabetischer Reihenfolge in Katalogen und Vordruckalben ist praktisch zum schnellen Auffinden, sollte aber nicht als Verpflichtung missverstanden werden, in der entsprechenden Form zu sammeln. Eine individuelle Gliederung kann zufriedenstellendere Ergebnisse hervorbringen und lĂ€ngerfristig Freude bereiten, als stĂ€ndig LĂŒcken zu sehen, die noch zu schließen sind.

Erster Überblick

Vor der Wahl eines passenden Gebietes sollte man zunĂ€chst einen Überblick gewinnen, welches Land oder welcher Teilbereich am besten geeignet erscheint, um eine intensivere Beziehung aufzubauen.

Tipp 2

Bevor Sie eine Entscheidung treffen, sollten Sie ĂŒber einen Band 1 des Michel-Deutschland-Spezialkatalogs mit den Sammelgebieten ab 1849 verfĂŒgen. Es muss nicht die neueste Auflage sein, aber sie sollte doch aus der Euro-Ära ab 2001 stammen.

  • Lesen Sie sich in Ruhe die Einleitungen ĂŒber die geschichtliche Entwicklung der Einzelgebiete durch. Lassen Sie sich dafĂŒr Zeit, nehmen Sie sich nicht mehr als ein Gebiet pro Tag oder Abend vor. Ansonsten sind die vielen Informationen kaum zu verdauen, die hier ĂŒber Generationen zusammengetragen wurden.
  • Schauen Sie sich die katalogisierten Markenemissionen an, ihren Ausgabezeitraum, die Form und Anzahl, auch ihre Bewertung in Erhaltungen (*) / * / ** / O.

Auf StĂŒcke mit erhöhter FĂ€lschungsgefahr wird in den Fußnoten hingewiesen.

Praxistipp_Briefmarken_Klassik_Altdeutschland_marken

Klassische Altdeutschland-Philatelie fĂŒr wenig Geld: die fĂŒnf Bergedorf-Werte von 1861 im ansteigenden Format, ungebraucht dank RestbestĂ€nden noch gĂŒnstig.

Tipp 3

Es kann recht hilfreich sein, sich darĂŒber bewusst zu werden, als welchen Typ Sammler man sich selbst einstuft.

  • Steht fĂŒr Sie die Komplettierung an erster Stelle oder haben Sie auch Freude an einer exemplarischen Auswahl?
  • Ist das vorwiegende „gemischt sammeln“ – gebraucht oder ungebraucht je nach der leichter beschaffbaren und gĂŒnstigeren Version – fĂŒr Sie eine akzeptable Zielrichtung?
  • Sind Sie zu Kompromissen und ZugestĂ€ndnissen bereit, was die QualitĂ€t betrifft?
  • Wie schnell wollen Sie vorankommen und welches Budget können Sie dafĂŒr kurz- bis mittelfristig einplanen?

Ich habe drei Gebiete ausgewÀhlt, die zum Einstieg in eine Altdeutschland-Sammlung zu empfehlen sind, weil sie

  • beispielhafte Einblicke in die klassische Philatelie bieten,
  • im gĂŒnstigsten Preisbereich komplettierbar sind,
  • bei den Standardsorten geringe Risiken aufweisen.

Tipp 4

Bergedorf * ungebraucht

Mit fĂŒnf Nummern ist das kleinste Sammelgebiet Deutschlands komplett, das von November 1861 bis Ende Dezember 1867 bestand. Es weist meist die in der FrĂŒhzeit bei mehreren LĂ€ndern ĂŒbliche Gestaltung in schwarzem Steindruck auf unterschiedlichen Papierfarben auf.

Eine kuriose Einzigartigkeit ist die nach Nennwerten gestaffelte MarkengrĂ¶ĂŸe der quadratischen Formate mit dem geteilten Wappen von Hamburg und LĂŒbeck. Der Bedarf an Postwertzeichen war einst allerdings weit geringer als kalkuliert. Dank der AktivitĂ€ten des „Königs der Brief­markenhĂ€ndler“ Jean-Baptiste Moens (siehe BMS 4/2022, S. 18) blieben grĂ¶ĂŸere RestbestĂ€nde unverkaufter Originalmarken in fĂŒnfstelliger GrĂ¶ĂŸenordnung ungebraucht und sogar postfrisch erhalten. Sie ermöglichen heute noch einen preiswerten Einstieg.

MiNr. 1 bis 5 sind nach Michel * ungebraucht mit gefalzter Originalgummierung gesamt 195 Euro wert. Sie sind vereinzelt noch unter 100 Euro zu haben. Auch die knappe SpĂ€tauflage MiNr. 1b als wichtige Variante ist noch fĂŒr zweistellige BetrĂ€ge zu finden.
Eine Warnung: Lassen Sie sich nicht vorschnell zum Kauf ungeprĂŒfter, angeblich gestempelter StĂŒcke von Bergedorf verfĂŒhren – die ĂŒblichen Strichstempel lassen sich leicht imitieren. Die hohen Bewertungen fĂŒr echt gebrauchte Marken gelten nur fĂŒr neuzeitlich geprĂŒfte Exemplare; nicht jede alte Signatur stellt ein PrĂŒfzeichen dar.

Tipp 5

Preußen gebraucht

Eines der ersten altdeutschen Markengebiete, das 26 Hauptnummern zwischen 15. November 1850 und Ende 1867 in Umlauf brachte. Die Herstellung erfolgte zunÀchst im schwarzen Stichtiefdruck auf farbigem Papier, dann im Buchdruck, zuletzt mit farblosem PrÀgedruck der Wappenzeichnung kombiniert.

Von der Erstausgabe an wurden die Briefmarken aus der Preußischen Staatsdruckerei Berlin im grĂ¶ĂŸten deutschen Postgebiet viel gebraucht und blieben in dieser Form in nennenswerten Mengen erhalten.

Als gĂŒnstigste gebrauchte Erhaltung gilt bei den Ă€lteren Sorten die Entwertung mit Federzug. Bei den qualitativ besonders schwierigen Innendienst-Werten werden Gestempelte mit Daten ab 1868 als Weiterverwendungen im Norddeutschen Postbund 35 Prozent gĂŒnstiger angesetzt. In dieser Form addiert sich der Gesamtwert einer Preußen-Kollektion nach Michel minimal auf 1050 Euro.

In der Praxis sind aber meist etliche Werte gestempelt an Stelle von Federstrichen vorhanden; das wird durchschnittlich mit etwa doppelten Katalog-Notierungen honoriert.

Praxistipp_Briefmarken_Klassik_Altdeutschland_sammlung

Vorwiegend gestempelt auf 14 AlbumblĂ€ttern, wenige ungestempelt, einzelne Wertstufen mehrfach vertreten. Teils in unterschiedlicher QualitĂ€t, optisch sehr ansprechend, teils geprĂŒft bzw. mit Altsignaturen; ein sehr hoher Katalogwert (Zuschlag 225 Euro).

Komplett ab 100 Euro

Detaillierte Angaben zur Bewertung der enthaltenen Sorten und ihrer Erhaltung fehlen bei den meisten Sammlungs-Offerten bei Auktionen. Anders bei einem Objekt, das im Juli 2022 gegen Gebot angesetzt wurde und ehemals zu 300 Euro ausgerufen war. Auch im Video wurde die in den Hauptnummern ĂŒberkomplette, meist sauber gestempelte Sammlung vorgestellt. Sie erschien sauber auf Falzlos-VordruckblĂ€ttern mit ErgĂ€nzungen, diverse Werte waren signiert oder geprĂŒft, MiNr. 6 bis 8 zweifach komplett, auch der Innendienst ĂŒberkomplett. Der Einlieferer hatte eine detaillierte Einzelaufstellung beigefĂŒgt und einen Katalogwert von 3285 Euro ermittelt. Bei Zuschlag 211 Euro plus Provision hatte der Höchstbietende Grund zur Freude.

Mit den Angaben „hoher Katalogwert“ und „Mi hoch“ begnĂŒgten sich zwei Kollektionen, die bei unterschiedlichen HĂ€usern jeweils fĂŒr 140 Euro Zuschlag plus Aufgeld zu haben waren:

  • Preußen 1850/67, eine komplette Sammlung auf Lindner-T-Vordrucktext; die MiNr. 20 und 21 ungebraucht, ansonsten gestempelt und einige Werte geprĂŒft BPP. Unterschiedliche Erhaltung.
  • Preußen: Komplette durchweg saubere Sammlung mit einigen geprĂŒften Marken auf BlĂ€ttern.
  • FĂŒr 220 Euro gab es eine in den Hauptnummern komplette Sammlung auf Lindner-Falzlos-Vordrucktext, einige mehrfach (MiNr. 13, 20 doppelt), insgesamt ĂŒber 107 Marken.
  • 270 Euro erreichte eine komplette, durchweg saubere Sammlung auf BlĂ€ttern, dabei einige Stempel-Besonderheiten, bessere Farben und geprĂŒfte Marken.

Ohne Zuschlag blieben weitere Preußen-Kollektionen zu PreisansĂ€tzen zwischen 100 und 400 Euro. Zum gĂŒnstigsten Ansatz gab es zwei Vordruckseiten mit dekorativem Titelblatt und kompletter gebrauchter Sammlung unter der Angabe „meist Prachterhaltung“.

Die vierfache SchÀtzung galt einem spezialisierter angelegten Objekt mit vollstÀndiger Vertretung der Hauptnummern aus 1850/1867 meist gestempelt, dabei zusÀtzlich Nr. 2 mit dÀnischem Vierring-Stempel und Fotoattest Kastaun BPP, einige bessere Nummernstempel und Nachverwendungen. Der Markenteil war etwas unterschiedlicher QualitÀt, doch dazu kamen 20 interessante Belege, dabei ein Brief mit Nr. 1 im Paar, die 6 als Dreierstreifen auf Brief, eine Einzelfrankatur der 18b.

 

Altdeutschland im Überblick (in chronologischer Folge, bei gleichem Ersttag alphabetisch, # = 1868 vom NDP abgelöst)

  • Bayern 1849 – 1920: 195 Hauptnummern
  • Sachsen # 1850 – 1867: 19 Hauptnummern
  • Preußen # 1850 – 1867: 26 Hauptnummern
  • Schleswig-Holstein # 1850 – 1867: 25 Hauptnummern
  • Hannover # 1850 – 1867: 25 Hauptnummern
  • Baden # 1851 – 1871: 26 Hauptnummern
  • WĂŒrttemberg 1851 – 1902: 62 Hauptnummern
  • Braunschweig # 1852 – 1867: 20 Hauptnummern
  • Thurn und Taxis # 1852 – 1867: 54 Hauptnummern
  • Oldenburg # 1852 – 1867: 19 Hauptnummern
  • Bremen # 1855 – 1867: 15 Hauptnummern
  • Mecklenburg-Schwerin # 1856 – 1867: 8 Hauptnummern
  • Hamburg # 1859 – 1867: 22 Hauptnummern
  • LĂŒbeck # 1859 – 1867: 14 Hauptnummern
  • Bergedorf # 1861 – 1867: 5 Hauptnummern
  • Mecklenburg-Strelitz # 1864 – 1867: 6 Hauptnummern
  • Helgoland 1867 – 1890: 20 Hauptnummern
  • Norddeutscher Postbezirk 1868 – 1871 (1874): 26 Hauptnummern

Text: Michael Burzan


Anzeige
Jetzt bestellen ANK Austria Netto Katalog
Briefmarken VierlÀnderkatalog 2024

ISBN: 978-3-902662-72-9
Preis: 79,90 €
Versandkostenfreie Lieferung innerhalb Deutschlands.

Jetzt bestellen


Authored by: BMS-Redaktion

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert