Der Vater des Blues: W. C. Handy

Der Vater des Blues: W. C. Handy

W.C. Handy spielte den Blues, als dieser – zumindest als musikalisches Genre – offiziell noch gar nicht erfunden war. Und dennoch: Im Gegensatz zu vielen Musikern, die zu Lebzeiten viel geschaffen, aber dafür wenig Popularität und zumeist überhaupt keinen finanziellen Lohn genossen hatten, war Handy zum Zeitpunkt seines Todes ein bekannter und gefeierter Musiker. 25 000 Menschen begleiteten ihn auf seinem letzten Weg, mehr als Hunderttausend gedachten ihm am Tag seiner Beisetzung im Jahr 1958 in den Straßen von Harlem, New York.

 William Christopher Handy auf Briefmarke aus den USA von 1969

William Christopher Handy auf Briefmarke aus den USA von 1969.

Der am 16. November 1873 in Alabama geborene Musiker, der oft als „Vater des Blues“ bezeichnet wird, hatte eine bewegte musikalische Biographie. Von den religiösen Eltern gerne als Kirchenmusiker gesehen und verschiedener Instrumente kundig, war er kurzzeitig als Musiklehrer tätig und ebenfalls Sänger in einer Minstrel Show. Dass einige der späteren großen Blues-Legenden zu Beginn ihrer Karriere zu diesem Mittel des Gelderwerbs greifen mussten, mutet fast ironisch an: In den Minstrel Shows, in denen zunächst ausschließlich Weiße in Stereotypen das Verhalten von Schwarzen darstellten und karikierten, wurden ab den 1860er Jahren auch schwarze Darsteller und Musiker beschäftigt. Lustig, musikalisch und genügsam, aber auch stets naiv und intellektuell den Weißen weit unterlegen – dies war das Bild, das von der schwarzen Bevölkerung der USA in den Shows gezeichnet wurde. Sie waren eine beliebte Form der Unterhaltung, vor allen Dingen für diejenigen Weißen, die gar keinen oder nur kaum Kontakt mit der schwarzen Bevölkerung hatten.

Von 1900 bis 1902 war Handy als Lehrer am „Alabama Agricultural and Mechanical College for Negroes“ beschäftigt. Die Lehrtätigkeit beschnitt jedoch die Kreativität und den eigenen Wissensdurst des talentierten Musikers. 1902 reiste er längere Zeit durch Mississippi, und die musikalischen Eindrücke auf dieser Reise, wurden von ihm selbst als besonders prägend und nachhaltig beschrieben.

Er kam in Kontakt mit verschiedenen Ausprägungen schwarzer Musik. In dem ländlichen und durch den Baumwollanbau und die harte Feldarbeit geprägten Bundesstaat war die Musik im Alltagsleben im Gegensatz zu anderen Regionen fester verankert und nahm viel Raum als bedeutender Teil der Alltagskultur ein. Mississippi kann als Wiege des Blues bezeichnet werden. Auffällig viele der frühen ganz Großen wie Charley Patton und Skip James, aber auch spätere Vertreter wie Muddy Waters und B.B. King hatten ihre Wurzeln in eben diesem Bundesstaat.

Mit seiner Band The Knights of Pythias“ ging Handy 1909 nach Memphis. Sein „Memphis Blues“, veröffentlicht 1912, verhalf Handy zum musikalischen Durchbruch und zu der Aufmerksamkeit eines großen Publikums. Eine Entwicklung, die bereits zwei Jahre später durch den „St. Louis Blues“ weiter gefestigt wurde. Handy hatte im Alter von 40 Jahren nicht nur einen Stil für sich etabliert, er hatte es ebenfalls geschafft diesen Stil mit dem eigenen Namen in der Öffentlichkeit zu verbinden. Aber auch Bessie Smiths und Louis Amstrongs Interpretation des „St. Louis Blues“ verhalfen dem Blues generell als alter Musikgattung mit neuem und nun überall bekannten Namen in den 20er-Jahren zu seinem großen Erfolg in ganz Amerika.

Das Handy den Ehrentitel „Vater des Blues“ trägt, liegt nicht nur in der Tatsache begründet, dass er selber ein begnadeter Musiker und Komponist war oder in seiner theoretischen, fast wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ausprägungen afroamerikanischer Musiktradition. Es hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass er die Musik dieses Genres als erster niedergeschrieben und veröffentlicht hat.

Seit 1917 lebte und arbeitete Handy in New York City, dort gründete er die „Handy Record Company“ und veröffentlichte den Großteil seiner Stücke. Neben der Veröffentlichung seiner musikalischen Werke schrieb und publizierte Handy insgesamt fünf Bücher, darunter seine Autobiographie „Father of the Blues: An Autobiography“. Auch alle anderen Bücher beschäftigten sich mit der Geschichte des Blues, der afroamerikanischen Musiktradition und afroamerikanischen Musikern.

Nach einem schweren Unfall im Jahr 1943 erblindete Handy. Ein Jahrzehnt später und im hohen Alter von 80 Jahren heiratete er seine zweite Ehefrau, die ihn bis zu seinem Tod am 28. März 1958 begleitete. Sarah Este

Authored by: Marius Prill

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