Kopfsteher-Jenny – Legendäre Fehldrucke
Die offizielle Eröffnung des Flugpostdienstes in den Vereinigten Staaten vor 100 Jahren wird 2018 mit zwei neuen Sondermarken der USA gefeiert. Zur Premiere erschien am 13. Mai 1918 die erste amtliche Flugpostmarke Nordamerikas: ein Wert zu 24 Cent, der die Beförderung durch die Luft zwischen New York City, Philadelphia und Washington D.C. sowie die Zustellung per Eilboten abdeckte. Der zweifarbige Stichtiefdruck mit roter Rahmenzeichnung zeigt im blauen Mittelstück das erste Postflugzeug des Doppeldecker-Typs Curtiss JN-4 H, kurz „Jenny“ genannt, ursprünglich für das Militär produziert.
Ein irrtümlich verkehrt eingelegter Bogen ließ den berühmtesten nachweisbaren Briefmarken-Fehldruck der Philateliegeschichte entstehen: die „kopfstehende Jenny“, die mit den Rädern nach oben gewissermaßen einen Looping vollführt. In Zusammenarbeit mit dem Smithsonian National Postal Museum der USA hat das Autorenteam Deborah Fisher & Kellen Diamanti zum Jubiläum eine neue Publikation mit dem Titel „The Stamp of the Century“ – Die Briefmarke des Jahrhunderts – angekündigt.
Die Geschichte des Hunderter-Bogens, seiner enthaltenen Einzelmarken und die Preisentwicklung bietet genügend Stoff mit den Qualitäten eines Kriminalromans. Manche Exemplare blieben über Jahrzehnte verschollen, ein Viererblock wurde gestohlen und tauchte später vereinzelt auf, zwei Stücke ließen sich überhaupt nicht mehr nachweisen. Der erste glückliche Entdecker war William T. Robey, der den kompletten Bogen mit 100 Fehldrucken in seiner Mittagspause am 14. Mai 1918, dem zweiten Tag nach der Ausgabe, zum Nennwert von 24 Dollar kaufte. Dem Sammler fiel die Abart der kopfstehenden Mittelstücke im Postamt New York Avenue in Washington sofort auf und er fragte nach anderen Bogen dieser Art, doch ohne Erfolg. In der Befürchtung, es könnten weitere Stücke auftauchen, begann er rasch damit, Angebote von Händlern einzuholen. Erste Offerten von 250 und 500 Dollar schienen ihm undiskutabel; bei 10000 erbat er sich noch einen Tag Bedenkzeit.
Legendäre Flugpost-Fehldrucke
Letztlich erhielt Robey nur eine Woche nach seiner Entdeckung von Eugene Klein aus Philadelphia 15000 Dollar für den Bogen, den 625-fachen Postpreis. Zu diesem Zeitpunkt lag dem Briefmarkenhändler bereits eine telefonische Offerte von 20000 Dollar vor und die Einheit ging sofort weiter an Edward H.R. Green, den exzentrischen Millionär und fanatischen Sammler. Dieser nummerierte die Marken rückseitig mit Bleistift durch und teilte den Bogen in Einheiten und Einzelstücke auf. Zwischen 250 und 300 Dollar pro Fehldruck waren sie in der Anfangszeit über ihn zu haben. Der Michel-Katalog von 1930 verzeichnete die „Inverted Jenny“ als MiNr. 250 I „Mittelstück kopfstehend“ mit 3000 Reichsmark; bis heute wurden daraus ** 650000 Euro. Nur ein kleiner Teil lässt sich allerdings noch als einwandfrei postfrisch klassifizieren, die Mehrzahl wurde gefalzt (Michelwert * 200000), teils nachgummiert, hat Altersschäden wie Stockflecken davongetragen oder die Gummierung verloren.
Erst 99 Jahre nach der Erstentdeckung des Bogens tauchte die Marke von Feld 79 wieder auf, die am 15. Februar 2017 für 299000 Dollar beim Auktionshaus Leslie Hindman in Illinois versteigert wurde: vorderseitig gut gezähnt und recht zentriert – aber auf der Rückseite fleckig, mit dünnen Stellen und Spuren entfernter Falze sowie Büroklammern. 2016 erschien die kopfstehende Jenny von Position 76 aus dem 1955 bei einer Ausstellung gestohlenen „McCoy-Viererblock“. Auf unerklärlichen Wegen war sie nach Nordirland geraten und dort in einem Nachlass wiedergefunden worden, mit 50000 Dollar Finderlohn honoriert.
Am 11. Mai 2017 wurde sie zu Gunsten der American Philatelic Research Library bei Robert A. Siegel mit 295000 Dollar inklusive Aufgeld zugeschlagen, innerhalb von 90 Sekunden von 120000 auf 250000 gesteigert. Die Erhaltung: nur noch Teile des Originalgummis, eine dünne Stelle und an zwei Seiten nachgezähnt, um die Herkunft aus dem Viererblock zu verschleiern …
Das jüngste Resultat für eine Marke in überdurchschnittlicher Qualität mit Falzspur im April 2018 betrug 410?000 Dollar für Feld 86. Die höchste PSE-Gradierung von XF Superb-95 weist die Marke von Feld 58 mit zartem Falz auf, seit 2005 in einer Plastikkapsel versiegelt. Damals fiel der Hammer bei 525000; zuletzt wurde sie am 31. Mai 2016 bei Siegel mit Zuschlag bei 1,175 Millionen Dollar versteigert.
Text: Michael Burzan / Titelbild: Eines der oben geschnittenen Randstücke ließ Colonel Green als Schmuckstück für seine Frau in einem Goldrand einfassen.
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