Zinnober Zacke: Wenn Briefmarken töten

Zinnober Zacke: Wenn Briefmarken töten

Tante Herta ist eine jener Verwandten, bei denen man sich freut, wenn Sie wieder abreisen. Tut mir leid, das muss jetzt mal gesagt werden. Sie ist etwas nervig. Sie muss jeden Tag in den Wald oder auf die Wiese und nach Pilzen suchen. Was noch schlimmer ist: Sie besteht darauf, dass sie jemand begleitet.

Ich hatte gehofft, dass sie jetzt im Sommer keine Pilze sammeln geht – aber Pustekuchen: Natürlich wachsen auch im Sommer welche. Im Wald treffen wir Dr. Phil. Ich traue meinen Augen nicht, denn er sammelt ebenfalls Pilze. Ich wusste gar nicht, dass der sich damit auskennt! Ich begrüße ihn und Tante Herta verwickelt ihn gleich in ein Fachgespräch über Pilze. Neugierig schaut sie in seinen Korb. Sie platzt heraus: „Die wollen Sie aber nicht essen, oder?“ Dr. Phil zuckt so zusammen, wie ich, wenn er mich bei einer Dummheit ertappt.

Fast wie im Pilzbuch …

„Eigentlich schon“, gibt Dr. Phil zu, „die sind essbar, steht auf MiNr 2471.“ Tante Herta schaut sehr böse und hält Dr. Phil einen Vortrag, der sich gewaschen hat. Es sind Pantherpilze und die sind ähnlich wie Fliegenpilze stark giftig. „Wie kann man nur Pilze sammeln, wenn man davon keine Ahnung hat?“, stellt die Tante ihn zur Rede. Dr. Phil stammelt etwas von der größten Sammlung von Briefmarken mit Pilzen südlich der Elbe, die er aufgebaut habe.

„Pilzkenner wird man nicht aus Büchern und schon gar nicht von Briefmarken!“, flucht sie. „Aber auf der Briefmarke waren doch Messer und Gabel abgebildet“, beharrt Dr. Phil auf seiner Einschätzung. Um den Streit zu beenden, gehen wir nach Hause zu Dr. Phil. Er holt gleich das erste Album seiner Pilzsammlung heraus und Tante Herta betrachtet die Marken fachmännisch. Naja, sie hat oft was auszusetzen. Manche Abbildungen von Pilzen findet sie ganz grässlich. Aber Dr. Phils Sortierung nach Pilzgattungen findet sie toll.

Tante Herta hält die Messer-und-Gabel-Symbole für gemeingefährlich.

Dr. Phil blättert zu einer Seite, auf der ein belgisches Markenheftchen zu sehen ist. Bei Speisepilzen sind ein Messer und eine Gabel abgebildet. Tante Herta beginnt zu lachen: „Das ist doch der Perlpilz, na klar kann man den essen.“ Sie greift in Dr. Phils Korb und zeigt ihm, dass seine Pilze tatsächlich etwas anders aussehen als die auf der Briefmarke. Tante Herta ist außer sich. Zur Pilzbestimmung gehöre jahrelange Erfahrung und Sorgfalt. Das könne man nicht auf eine Briefmarke bringen.

Zinnober Zacke

Dr. Phil informiert:

Tante Herta hat da wirklich Recht: Wenn man sich nicht mit Wildpilzen auskennt, sollte man sie nicht essen. Und auf eine Briefmarke draufzuschreiben, dass der Pilz essbar ist, ist vielleicht wirklich keine gute Idee. Sehr gefallen haben Tante Herta aber die Pilze aus Frankreich. Die Marken, auf denen die Pilze auch noch im Querschnitt drauf sind. „Fast wie im Pilzbuch!“, lautete ihr Lob. Dann fiel ihr Blick nach draußen. Ein großer weißer Ball war da in meinem ungepflegten Garten gelandet. Nein, es war kein Ball. Es war ein Riesenbovist. Ich wusste gar nicht, dass es so große Pilze gibt. Er ist auch auf keiner Briefmarke drauf. Den kenne ich also nicht. Aber Tante Herta hat ihn in die Pfanne gehauen und wir sind alle drei satt geworden.


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Authored by: BMS-Redaktion

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