Sänger ohne Ausbildung
19. Februar 1910, Opéra de Monte Carlo: Auf dem Spielplan steht „Don Quichotte“. Gemeint ist damit aber nicht das Ballett von Marius Petipa mit der Musik von Léon Minkus, erst recht nicht die sinfonische Dichtung von Richard Strauss. Vielmehr erwartet die Besucher in Monaco eine weitere Uraufführung des Romans von Miguel de Cervantes, Jules Massenets Oper, basierend auf einem Libretto Henri Cains. In der Hauptrolle sang ein Russe.
Fjodor Iwanowitsch Schaljapin gehörte zu den ersten Sängern, die sich mit den dargestellten Figuren auch psychologisch beschäftigten. Nicht nur musikalisch arbeitete er sich intensiv in seine Rollen ein, sondern versuchte auch, die Handlungen der Figuren intellektuell nachzuvollziehen. Dank dieser intensiven Vorbereitung vermochte er darstellerisch seinen musikalisch ohnehin überzeugenden Auftritt zu verstärken. Sein dunkler, kraftvoller Bass harmonierte mit seiner hünenhaften Gestalt.
Schaljapin genoss nie eine Ausbildung. Geboren am 1. Februar 1873 – nach Gregorianischem Kalender war es der 13. Februar – bei Kasan, sang er als Jugendlicher im Kirchenchor. 1894 gelangte er nach Tblissi und fand eine Anstellung am Opernhaus. Gleich zum Debüt gab er den Oberpriester in Giuseppe Verdis „Aida“. Ein Engagement am Sankt Petersburger Mariinski-Theater folgte unmittelbar. Ab 1896 spielte er an einer privaten Moskauer Oper unter anderem die Hauptrolle in „Boris Gudonow“ von Modest Petrowitsch Mussorgskij.
International gelang ihm der Durchbruch, als er 1901 an die Mailänder Scala ging. Sein erstes Engagement an der New Yorker Metropolitan Opera währte zwar nur ein Jahr, 1907. Als er 1921 dort erneut auftrat, war der Erfolg so groß, dass er gleich sechs Saisons bestritt. Zwischendurch hatte er unter anderem an der Pariser Oper gesungen. 1926 trat er schließlich in die Dienste des Royal Opera House Covent Garden in London. Im Mittelpunkt seines Wirkens stand natürlich das russische Repertoire, doch wandte er sich zunehmend Werken westlicher Komponisten zu. In Russland trat er ab 1921 aus politischen Gründen nicht mehr auf, ohne die Sowjetunion aber per se abzulehnen.
Gut 20 Jahre nach der Uraufführung des „Don Quichotte“ schrieb er sich ein weiteres Mal mit der Oper in die Geschichtsbücher ein. Der österreichische Regisseur Georg Wilhelm Pabst verfilmte sie 1932/33 auf Deutsch, Englisch und Französisch. Dreimal sang Schaljapin die Hauptrolle – eine Synchronisation war seinerzeit noch nicht möglich. Die englische und französische Fassung des Streifens blieben anders als die deutsche der Nachwelt erhalten.
Am 12. April 1938 verstarb Fjodor Iwanowitsch Schaljapin in Paris. In Paris bestattet, wurden seine sterblichen Überreste 1984 auf dem Nowodewitschi-Friedhof in Moskau überführt. In der ukrainischen Krim findet seit 2000 alljährlich das Schaljapin Operngesangsfestival statt.