Briefmarke der Woche: Ein anarchistischer Chansonnier
Léo Ferré war ein vielseitiger und vielschichtiger Mann. Der Monegasse machte sich als Dichter, Komponist und Sänger einen Namen und galt als einer der bedeutendsten Chansonniers des vergangenen Jahrhunderts. Das lag vor allem auch daran, dass Ferré ein bekennender Anarchist war, der dieses Thema in vielen seiner Werke gesellschaftskritisch ausbreitete.
Briefmarke zum 100. Geburtstag
Ihm zu Ehren erscheint in Monaco am 24. August eine Briefmarke zu seinem 100. Geburtstag, den er dieses Jahr gefeiert hätte. Sie zeigt ein Portrait des Dichters und Sängers und erscheint in der Wertstufe zu 1.36 €.
Ferré wurde 1916 in Monaco geboren, verbrachte seine Kindheit allerdings in Italien, im klösterlichen Internat von Bordighera. Diese Zeit war für ihn sehr hart, weil er bereits als Junge ein Freidenker war. Doch mit der Art dieser Erziehung hofften seine Eltern, ihn für eine Karriere in der Verwaltung vorzubereiten. Sein Vater arbeitete bereits in der fürstlichen Kurverwaltung von Monaco als Personalchef.
Doch den jungen Ferré zog es in die entgegengesetzte Richtung: Mit seiner ersten Frau zog er aufs Land und lebte in einem monegassischen Dorf als Musiker. Der Autodidakt Ferré nutzte jede freie Minute, die er neben der Bewirtschaftung des Hofes übrig hatte, um sich musikalisch weiterzuentwickeln. Von einem russischen Emigranten erhielt Ferré Theorieunterricht in Komposition, bis er im Frühjahr 1946 nach Paris ging.
Der Zufall brachte einen Wendepunkt in sein Leben: In Paris traf Ferré Fürst Rainier von Monaco, der ihn nach Monte Carlo zu einem Auftritt einlud. Mit dieser Referenz konnte Ferré, zurück in Paris, seine erste Platte aufnehmen. Der Erfolg ließ allerdings noch auf sich warten.
Erst zu Beginn der 60er Jahre feierte Ferré große Erfolge im Pariser Olympia, dem wichtigsten Auftrittsort französischer Chansonniers. Dort trat er zusammen mit Maurice Frot und dem blinden Paul Castanier auf. 15 Jahre arbeitete das Trio zusammen, bis sich 1973 ihre Wege trennten.
Kritische Texte
Ein bedeutender Chanson von Léo Ferré ist „T’as payé“. In dem Stück, was übersetzt „Du hast gezahlt“ heißt, singt er gegen die Gesellschaft als Missstand: „Für alles hast du gezahlt: für das Recht, Dreck zu atmen und dich verblöden zu lassen. Du hast gezahlt — vielleicht, weil du Geld hast. Und wenn du zur Wahl gehst, dann vielleicht weil du die Wahl hast?“
Das Thema Anarchie besingt er unter anderem in „Graine d’Ananar“,“Ni dieu ni maitre“ und „Les Anarchistes“. Darin singt er, weder Gott noch Herr, dafür aber die Saat der Anarchie zu brauchen. In seinen Texten ist er eindeutig und klar, er will entweder die Freiheit oder den Tod.
Léo Ferré erinnert in seinen Chansons und Gedichten ebenfalls oft daran, wozu Menschen fähig sind und verarbeitet Erlebnisse und Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs. Doch auch unabhängig von diesen Ereignissen klagt er in seiner Wahrnehmung nicht aus dem Nichts, sondern aus einer zerstörten Welt.
Doch auch sein eigenes Leben empfindet der Künstler nicht immer als einfach. In „Ma vie est un slalom“ beschreibt er seine Empfindungen: „Mein Leben ist ein Slalom, eine Abwesenheit, eine Hoffnung, die versucht aufzustehen und liegenbleibt im schreienden und von der Sonne der Nacht geleckten Schatten: besiegt, versaut, mit der Ausrede der Hoffnungslosigkeit, die beruhigt wie eine Decke.“
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