200. Geburtstag von Theodor Mommsen
Eine knifflige Quizfrage: Wie hieĂ der erste Deutsche, der den Nobelpreis fĂŒr Literatur bekam? Wer jetzt an Gerhard Hauptmann oder Thomas Mann denkt, liegt leider falsch. Denn der Historiker Theodor Mommsen erhielt 1902 die Auszeichnung fĂŒr seine monumentale âRömische Geschichteâ, also fĂŒr ein nicht-fiktionales Werk der Geschichtsschreibung. Das schwedische Nobel-Komitee lobte in seiner WĂŒrdigung die Konkretheit von Mommsens Schilderungen und die kĂŒhne, assoziative Wissenschaftsprosa: Mommsen war es gelungen, die Antike in die Gegenwart zu holen, denn Konsuln hieĂen bei ihm BĂŒrgermeister und römische Aristokraten firmierten als Junker.
Multitasking im 19. Jahrhundert
Theodor Mommsen war in seinem langen Leben Vieles: Jurist, Journalist, Historiker, Professor und Wissenschaftsorganisator. Der Pfarrerssohn, geboren am 30. November 1817 in Garding im damals dĂ€nischen Herzogtum Schleswig, studierte in Kiel Jura und befreundete sich mit einem gleichaltrigen Kommilitonen: dem spĂ€teren Schriftsteller Theodor Storm. Im römischen Recht promoviert, ging Mommsen nach Italien, um dort antike Inschriften zu kartieren. Durch diese Arbeit wandelte er sich vom Juristen zum Historiker. ZurĂŒck in Deutschland arbeitete Mommsen aber zunĂ€chst als Journalist und agierte in der Revolution von 1848 gegen die dĂ€nischen AnsprĂŒche auf Schleswig-Holstein. Mommsen trat fĂŒr einen deutschen Nationalstaat unter preuĂischer FĂŒhrung ein, der mit einem starken Parlament die Freiheitsrechte des Einzelnen garantieren sollte. Seine deutlich linksliberale Position brachte ihm als jungen Jura-Professor in Leipzig 1851 einen Hochverratsprozess ein.
Forschung und Politik
Nach UniversitĂ€tsstationen in ZĂŒrich und Breslau â in dieser Zeit entstanden die ersten BĂ€nde der Römischen Geschichte â wurde er 1858 nach Berlin an die PreuĂische Akademie der Wissenschaften berufen. Als Akademiemitglied und Professor fĂŒr Römische Geschichte an der Friedrich-Wilhelms-UniversitĂ€t prĂ€gte Mommsen mehr als vier Jahrzehnte nicht nur den Berliner Lehrbetrieb, sondern auch die akademische Forschungspolitik. GroĂangelegte Quelleneditionen sollten die Zeugnisse der römischen Antike systematisch sammeln und dadurch die Altertumswissenschaften modernisieren und objektivieren.
Mommsen war kein Stubengelehrter, sondern der Prototyp des in der politischen Ăffentlichkeit stehenden Intellektuellen. Mit Sarkasmus und SchĂ€rfe quĂ€lte er nicht nur seine Studenten, die ihn âdas Rasiermesserâ nannten, sondern auch seine Gegner. Als Publizist und Redner focht er eher mit dem SĂ€bel als mit dem Florett und legte sich in einem Beleidigungsprozess sogar mit Reichskanzler Otto von Bismarck an. 1880 bekĂ€mpfte er seinen Berliner Kollegen Heinrich von Treitschke im âBerliner Antisemitismusstreitâ. Mommsen verteidigte darin die deutschen Juden als gleichberechtigte Staats- bĂŒrger gegen die aufkommenden antisemitischen Ressentiments.
Historiker in mehreren Generationen
Am Ende seines Lebens versank der Gelehrte in Schwermut, fĂŒhlte sich als Liberaler im autoritĂ€r regierten Kaiserreich an den Rand gedrĂ€ngt. Sein Wunsch, vergessen zu werden, ging aber nach seinem Tod am 1. November 1903 nicht in ErfĂŒllung, denn Mommsen wurde Ahnherr einer groĂen Historikerfamilie. Seine Urenkel Wolfgang und Hans Mommsen haben sich um die Erforschung des Nationalsozialismus verdient gemacht.
Heute sitzt ein steinerner Mommsen vor dem Haupteingang Unter den Linden der Berliner Humboldt-UniversitĂ€t. Sein Ruhm als Altertumswissenschaftler reicht bis in die Gegenwart und er dĂŒrfte der einzige Historiker sein, nach dem eine SportstĂ€tte benannt ist: In Berlin-Charlottenburg trĂ€gt ein FuĂballstadion seinen Namen.
Text: Frauke Klinge
Text Titelbild: Auf der schwedischen Ausgabe zu Ehren der NobelpreistrĂ€ger von 1902, erschienen 1962, sehen wir Theodor Mommsen hinter dem britischen Arzt Ronald Ross, der den Nobelpreis fĂŒr Medizin oder Physiologie zuÂgesprochen bekam. Arne Wallhorn stach die MiNr. 500 (Abb. Schwaneberger Verlag).
Kontakt: Mommsens Werk betreuen zwei Arbeitsgemeinschaften. Ansprechpartner der Motivgruppe Deutsche Geschichte im Verband Philatelistischer Arbeitsgemeinschaften (VPhA) ist Erhard GrĂ€tz, Karl-Lehr-StraĂe 6, 47053 Duisburg, Tel. 0203 / 62403, www. arge-deutsche-geschichte.de. Die Arbeitsgemeinschaft Literatur â Theater â MĂ€rchen erreichen Sie ĂŒber Peter WĂŒrfel, Am Berler Kamp 146, 48167 MĂŒnster, Tel. 02506 / 1532, p.w.1101@email.de.
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