Wenn selbst der Rhein gefriert

Wenn selbst der Rhein gefriert

Zu den spektakulärsten Erfindungen der Geschichtsschreibung gehört der Übergang der Barbaren über den zugefrorenen Rhein. Jahrhundertelang hatte der breite Strom die römische Welt vor den wilden Horden geschützt, so die arg polarisierende Erzählung, doch in der klirrenden Januar-Kälte des Jahres 406 stand die Flussgrenze offen, und große Gruppen Vandalen, Sueben und Alanen kamen über das Eis und zogen plündernd durch das Reich, bis hinab nach Spanien und Nordafrika – eine dramatische Begebenheit, die sich jedoch vermutlich gar nicht so zugetragen hatte.

Denn keine der antiken Quellen weiß vom eingefrorenen Vater Rhein zu berichten. Vielmehr hatten sich spätere Forscher dieses dramatische Szenario ausgedacht. Dass Jahrhundertwinter mitunter strategische Folgen hatten, ist jedoch nicht zu leugnen. So marschierte zu Beginn des Jahres 1658 der Schwedenkönig Karl X. Gustav mit einer ganzen Armee über den eisbedeckten Kleinen und Großen Belt bis auf die Insel Seeland und überraschte dort die Dänen, die sich in Sicherheit gewähnt hatten. König Frederik III. musste sich den Forderungen der Schweden fügen, zumindest bis das Eis geschmolzen war und die niederländischen Verbündeten mit ihrer Flotte zur Hilfe kamen.

Auch in den Jahren des Kalten Krieges konnten Extremkälteereignisse den Kampf der Systeme entscheidend beeinflussen. So etwa, als zum Jahreswechsel von 1978 nach 1979 in ganz Deutschland die Temperaturen abrupt um 30 Grad fielen. In weiten Teilen der DDR brach die Energieversorgung zusammen. Da in der Republik der Strom weitgehend aus Braunkohle gewonnen wurde, diese jedoch einen besonders hohen Wasseranteil besitzt, gefroren die Brennstoffe in den Eisenbahnwaggons. Mit viel Mühe und dem Einsatz von Flugzeug-Düsentriebwerken versuchte man, der Lage Herr zu werden. Die Schneekatastrophe forderte dennoch Dutzende Tote und hunderte Verletzte…

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Titelabbildung:  Auf dieser Postkarte mit einem Landschaftsbild von Willy Mulot ist der Niederrhein noch nicht zugefroren. Die Fähre ist im Dienst, und sogar die Lastensegler verkehren noch.


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Authored by: Jan Sperhake

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