Aktive Mecklenburger

Aktive Mecklenburger

Sie zählt zu den ältesten Arbeitsgemeinschaften der Bundesrepublik, wurde sie doch schon 1947 in Hamburg-Harburg gegründet. Die Mitgliederzahl kam selten über drei bis vier Dutzend hinaus. Dafür stellte sie und stellt heute immer noch den jeweiligen BPP-Spezial-Prüfer für das Sammelgebiet. Die Rede ist von der ArGe MV, wie sie kurz genannt wird, und das kann nur Mecklenburg-Vorpommern heißen. 185 Rundbriefe – mal mehr, mal weniger umfangreich, aber immer gespickt voll mit Fachinformation – hat die ArGe im Laufe der Jahre herausgebracht. Aber damit nicht genug. So erstellte u. a. das Mitglied Thomas Köhne für die 32 Marken des Sammelgebiets einen dreibändigen Spezialkatalog mit annähernd 1500 Abbildungen für alle Abarten und Plattenfehler. In jüngster Zeit haben zwei weitere Mitglieder als Autoren von sich reden gemacht: Peter Lanzendorf und Andreas Späth.

Lanzendorf veröffentlichte 2017 sein Handbuch der Absender-Freistempel (AFS) von MV nach Kriegsende 1945. Ab Dezember 1945 war die Verwendung alter Wertstempel und Texte mit NS-Hintergrund untersagt. An ihre Stelle traten Wertstempel mit der neuen Inschrift Deutsche Post; die Maschinen aus der Vorkriegszeit wurden weiterhin verwendet. In einer Übersicht zeigt der Autor zunächst die sechs alten (und danach aptierten) Typen der AFS sowie ihre drei Nachfolger. Anschließend bildet er die bis Ende 1952 bekannten rd. 300 AFS in natürlicher Größe ab, wobei die Orte innerhalb der Typen und innerhalb der Orte die Werbetexte alphabetisch geordnet sind. Zu jedem Stempel sind neben eventuellen Besonderheiten soweit bekannt die früheste und späteste Verwendung vermerkt. Motivsammler werden in dem Verzeichnis manch hübsche Vorlage finden!

Andreas Späth nutzte die Zeit des Corona-Lockdowns, um seine „Beiträge zur weiteren Diskussion“ zu schreiben. Drei davon widmen sich der Entstehungsgeschichte der Sondermarken von MV. Die erste Arbeit befasst sich mit der in nur wenigen Tagen entstandenen Zuschlags-Serie zum Tag der Opfer des Faschismus 21.10.45. Über eine Tochter des Entwerfers der Marken, Herbert Bartholomäus, erhielt Späth Einblick in tagebuchähnliche Aufzeichnungen des Künstlers und konnte so gewissermaßen ein Stundenprotokoll von der ersten Idee zur Markenausgabe bis zu deren Schalterverkauf erstellen. Es spiegelt mit beeindruckender Genauigkeit die politischen, kommunalen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der unmittelbaren Nachkriegszeit wider. Manches bleibt Vermutung, doch viele Angaben sind im Anhang durch umfangreiche Unterlagen überwiegend aus dem Bundesarchiv wie auch durch Zeitungsberichte belegt. Eine plausible These entwickelt er zur Reihenfolge des Drucks der drei Markenwerte.

Wahrscheinlich genehmigte der oberste Zensor der Sowjetischen Militäradministration (SMA) die Herstellung der Marken erst nach dem Versprechen einer Nachfolge-Sonderserie zur Bodenreform, welche politisch oberste Priorität hatte. Diese Ausgabe ist Gegenstand der zweiten ebenso akribisch dokumentierten Studie. Breiten Raum nehmen die Ausführungen zu den Überdruckfälschungen „20.12.45“ aus Ludwigslust und zu Wilhelm Heinrich Schnoor ein, einer schillernden Persönlichkeit, die maßgeblich an der Herstellung und dem Vertrieb dieser Machwerke beteiligt war.

„Helft den Kindern“

Das dritte Heft widmet sich der Ausgabe „Helft den Kindern“ – ursprünglich trug die Aktion den Namen „Rettet das Kind“. Den Anstoß gab wohl wie auch bei der ersten Serie der Ausschuss „Opfer des Faschismus“. Erneut stammen die Entwürfe von H. Bartholomäus. Über 30000 elternlose Flüchtlings- und Vertriebenenkinder waren 1945 in MV registriert, ihre Not erdrückend. Geschickt nutzte die Landesleitung der KPD die Situation: „Wichtig ist die Frage, was machen die Kommunisten zusammen mit den Sozialdemokraten und den anderen antifaschistischen Organisationen und mit welchem Erfolg. (…) Angefangen bei der Bodenreform bis hinunter zur Aktion ,Helft den Kindern‘, weil diese Aktionen der Kitt sind zur Einheitsfront, weil sie die Voraussetzung schaffen zu einem ideologischen und organisatorischen Näherkommen zwischen uns und der S.P.D., zu einem Näherkommen, das heute sehr gewünscht wird.“ Am Ende wurden für den Hilfsfonds aus dem Verkauf der Serie 202804 RM erwirtschaftet. – Neben relevanten Unterlagen zeigt Späth u. a. verschiedene Entwürfe, beleuchtet die Rolle des Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands und stellt Hans Günther Sauerland vor, dessen Name untrennbar mit dem Druck der MV-Briefmarken 1945/46 verbunden ist.

Das jüngste Heft geht der Frage nach, ob die ersten Briefmarken von Mecklenburg-Vorpommern Plagiate bayerischer Ausgaben waren. Fest steht, dass sie als wenig ansprechend empfunden wurden und die Forderung nach neuen Marken nicht lange auf sich warten ließ. Späth präsentiert eine Reihe von Entwürfen und liefert nachfolgend zu einer weiteren unbestrittenen Tatsache Fakten und Hintergrundinformation: der Anwesenheit sowjetischer Soldaten in der Druckerei Niemann in Ludwigslust, dort eingesetzt zur Durchsetzung der Vorzensur und Nachkontrolle aller Druckerzeugnisse.


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Der Autor macht in seinen Zusammenstellungen interessante, anregende Überlegungen. Angesichts der spärlichen Quellen versucht er zu rekonstruieren, unter welchen Umständen in den hektischen unmittelbaren Monaten nach Kriegsende bei häufig noch ungeordneten (Macht-)Verhältnissen Briefmarkenausgaben seiner Heimat entstanden. Dabei mag er sich, wie er selbst wiederholt einräumt, in dem ein oder anderen Punkt irren. Eines aber wird deutlich: Hinter so mancher unscheinbaren Briefmarkenserie steckt mehr an Zeitgeschehen und selbst hoher Politik, als man im Allgemeinen vermuten mag. Daher lohnt sich ein Blick „hinter die Kulissen“, die Frage nach dem „Warum?“ einer Ausgabe, auf jeden Fall. Späths Broschüren stellen eine Spielart der heute immer beliebter werdenden Social Philately dar. Sie sehen Briefmarken in ihrem gesellschaftlichen und zeitgeschichtlichen Umfeld.

Die Absender-Freistempel nach dem Kriegsende 1945 und ihre Nachfolger in Mecklenburg-Vorpommern. [Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern] Peter Lanzendorf. Handbuch 1945–1952. 88 Seiten, Format DIN A4, Abb. farbig, Softcover geleimt. 2017. Preis: 30 Euro inkl. Porto. Die Entstehung der Sondermarken „Zum Tag der Opfer des Faschismus“ im Oktober 1945. Andreas Späth. 58 Seiten, Format DIN A4, Abb. farbig, Softcover geleimt. 2022; Die Entstehung der Sondermarken „Zum Abschluss der Bodenreform“ im Dezember 1945. 58 Seiten, Format DIN A4, Abb. farbig, Softcover geleimt. 2022; Die Entstehung der Sondermarken „Helft den Kindern“ im Dezember 1945. 58 Seiten, Format DIN A4, Abb. farbig, Softcover geleimt. 2022; „Weitere angeregte Emissionen, abgelehnte Entwürfe und anderes“. 26 Seiten, Format DIN A4, Abb. farbig, Softcover geheftet. 2023. Preis als 4er-Paket 65 Euro inkl. Porto. Bezug: Hans-Ludwig Kramp, Am Anger 70 A, 19217 Wendorf bei Rieps. E-Mail: hans-ludwig.kramp@t-online.de. Tel. 038873 / 33424. IBAN DE73 5095 0068 0002 0861 71 für ArGe MV.

Rainer von Scharpen

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