Kulturgeschichte eines Lurchs
âSei kein Frosch!â sagen wir, wenn sich jemand zu sehr ziert; wenn wir heiser sind, haben wir âeinen Frosch im Halsâ, speziell ausgebildete Taucher nennen wir âFroschmĂ€nnerâ â der Name âFroschâ als ĂŒbergreifende Bezeichnung einer artenreichen Amphibiengattung hat in mannigfacher Bedeutung Eingang in unseren Sprachgebrauch gefunden. Den interessanten Versuch, solch einen aus der Tierwelt ĂŒbertragenen Begriff einmal im Markenbild darzustellen, hat die dĂ€nische Post mit den Europa-Marken 2011 unternommen: Die zwei Werte zeigen jeweils ein StĂŒck Wald aus der âFroschperspektiveâ und aus der âVogelperspektiveâ.
Heute sind Frösche ebenso wie alle anderen europĂ€ischen Amphibienarten in Deutschland besonders geschĂŒtzt; sie dĂŒrfen nicht gefangen, verletzt oder getötet werden. Das war nicht immer so. In vergangenen Jahrhunderten wurde es dem Laubfrosch zum VerhĂ€ngnis, dass er bei schönem Wetter immer die oberen Zweige aufsucht, weil sich dann dort die meisten Insekten aufhalten. Er galt deshalb als Wetterprophet und wurde in dem von vielen Bildern bekannten Einmachglas mit der Leiter jahrelang gefangen gehalten. Noch trauriger war das Schicksal jener Wasser- und Grasfrösche, die â vor allem bei unseren westlichen Nachbarn â ihrer schmackhaften Schenkel wegen massenhaft zum Verzehr gefangen wurden.
Die charakteristische Körperform der Frösche hat immer schon kreative Köpfe angeregt, sie kĂŒnstlerisch nachzugestalten. So wurde auf der Antilleninsel Anguilla eine aus einer Muschel geschnitzte Froschfigur gefunden, die zwischen dem neunten und 15. Jahrhundert entstanden sein soll und in einer Markenserie âPrĂ€kolumbische Fundeâ zu philatelistischen Ehren kam. Andere Froschskulpturen schmĂŒcken viele Brunnen oder dienen als Wasserspeier. Humoristisch brachte Wilhelm Busch mit dem Bilderbogen âDie beiden Enten und der Froschâ ein Abenteuer des grĂŒnen Gesellen zu Papier, dessen gutes Ende in der oft zitierten Feststellung mĂŒndete: âDrei Wochen war der Frosch so krank! Jetzt raucht er wieder, Gott sei Dank!â
Besonders beliebt ist der Frosch als Kinderspielzeug. War jahrzehntelang der HĂŒpffrosch â ob zum Aufziehen oder mit Klebe-Effekt â der Favorit in den Kinderzimmern, so findet der von Haus aus glatthĂ€utige, glitschige Lurch entgegen seiner Natur heute als PlĂŒschtier immer mehr Liebhaber. Als SympathietrĂ€ger ist der Frosch, ob mit oder ohne Krone, seit mehr als einem Jahrhundert auch in der Werbung vielfach prĂ€sent.
Symboltier in MĂ€rchen und Fabeln
In der Mythologie auĂereuropĂ€ischer Kulturen galten Frösche wegen der Art ihrer Vermehrung von jeher als Inbegriff einer Verwandlung und Fruchtbarkeitssymbol. Im christlichen Mittelalter hingegen sah man in ihnen vorwiegend das HĂ€ssliche. Frösche und Kröten brodelten angeblich in Hexenkesseln, erregten Angst und Ekel. Das fand auch in MĂ€rchen seinen Niederschlag. In âDer Froschkönig oder der eiserne Heinrichâ, mit dem die BrĂŒder Grimm ihre âKinder- und HausmĂ€rchenâ einleiteten, streckt der Frosch âseinen dicken, hĂ€sslichen Kopfâ aus dem Wasser; als er von der Königstochter Einlass ins Schloss begehrt, âwar ihr ganz angstâ, und schlieĂlich âwarf (sie) ihn aus allen KrĂ€ften wider die Wandâ. Die karikaturhafte Darstellung des Froschs auf den diesjĂ€hrigen Wohlfahrtsmarken ist dazu angetan, diese Empfindungen nachzuvollziehen.
Karikaturhaft stellt Professor Johannes Graf den Frosch auf den diesjĂ€hrigen Wohlfahrtsmarken dar, die dem MĂ€rchen âDer Froschkönig oder der eiserne Heinrichâ der BrĂŒder Jacob und Wilhelm Grimm gewidmet sind.
In zwei anderen MĂ€rchen der BrĂŒder Grimm werden Vertreter der Frosch-Familie ĂŒbrigens deutlich sympathischer geschildert. In âDie drei Federnâ wird die dem Dummling von der alten Itsche (Kröte) neben vielen Geschenken mitgegebene junge Itsche zu einem wunderschönen FrĂ€ulein, und in den âMĂ€rchen von der Unkeâ bedankt sich die von einem Kind mit Milch und Weckbrocken gefĂŒtterte HausÂunke mit glĂ€nzenden Steinen, Perlen und goldenen SpielÂsachen.
Als arroganter Angeber mit beschrĂ€nktem Horizont erscheint der Frosch in zwei unabhĂ€ngig voneinander entstandenen Fabeln. In der auf einer Marke Taiwans illustrierten chinesischen ErzĂ€hlung âEin Frosch im seichten Brunnenâ bekommt dieser Besuch von einer Schildkröte aus dem Ostchinesischen Meer, die ihm von dessen Entstehung und GröĂe erzĂ€hlt, wogegen sich der ignorante Frosch in seiner PfĂŒtze als souverĂ€ner König fĂŒhlt. Aus einer Ausgabe Frankreichs zum 300. Todestag von Jean de La Fontaine (1621â1695) stammt die Marke zu der Fabel âDer Frosch und der Ochseâ. Sie erzĂ€hlt von einem Frosch, der damit angab, so groĂ werden zu können wie ein Ochse: Er blies sich auf, bis er platzte.
Freundlichere Charaktere als diese beiden GroĂmĂ€uler begegnen uns in vielen KinderbĂŒchern, die von Fröschen erzĂ€hlen. Zwei der international bekanntesten wurden auch schon auf Briefmarken vorgestellt. Eine britische Marke ist âThe Tale of Mr. Jeremy Fischerâ gewidmet; einer Story, die die Kinderbuchautorin und Illustratorin Beatrix Potter (1866â1943) ursprĂŒnglich als Brief an ein Kind geschrieben hatte und die in deutscher Ăbersetzung unter dem Titel âGeschichte von Jeremias Quaddelâ erschienen ist. Auf einer tschechischen Marke posiert das FroschmĂ€nnchen, dessen Abenteuer der britische Schriftsteller Kenneth Grahame (1859â1932) in seinem Kinderbuch âDer Wind in den Weidenâ schilderte. Von ganz anderer Art ist die auf einer dĂ€nischen Marke vorgestellte, hierzulande auch verfilmte Geschichte von âOrla FrĂž-Snapperâ: Darin erzĂ€hlt Ole Lund Kirkegaard (1940â1979), wie Kinder die fiesen PlĂ€ne des als âFroschfresserâ verschrienen Dorfrowdys Orla durchkreuzen.
Weltweite Bekanntheit erlangte ein Frosch namens Kermit. Die von dem US-amerikanischen Puppenspieler und Regisseur Jim Henson (1936â1990) im Jahre 1955 fĂŒr die Fernsehserie âSam and friendsâ entwickelte Figur machte ab 1969 als Akteur der âSesamstraĂeâ Karriere und glĂ€nzte ab 1976 in der Rolle als Produzent und Moderator der âMuppetshowâ. LegendĂ€r ist sein Ausspruch âEin Frosch ohne Humor ist nur ein kleiner grĂŒner Haufenâ. Als erster seines Stammes erhielt Kermit der Frosch 2002 einen eigenen Stern auf dem Walk of Fame in Hollywood.
Text: Dieter Heinrich