
Berlin: Streitsache Stadtschloss
Als der Redakteur des „Neuen Deutschlands“ Wilhelm Girnus 1951 zum Abriss des Berliner Schlosses befragt wurde, erklärte er: „Wir hatten die Wahl – Schloss oder Dom. Hätten wir den Dom abgerissen, dann hätte der Westen für einige Jahre Wasser auf der Mühle gehabt und von „Kirchenstürmerei“ gesprochen. Dann lieber das Schloss. Mit den Kunsthistorikern werden wir schon fertig.“
Das war eine erstaunliche Aussage für jemanden, der schon bald zum Staatssekretär für das Hoch- und Fachschulwesen in der DDR ernannt wurde. Aber seine Worte scheinen doch insofern glaubwürdig, als sich Girnus zum Zeitpunkt seines Interviews gerade auf einem Vernichtungsfeldzug gegen den Kunstpädagogen Ulrich Knispel befand, mit dem er ganz offensichtlich „fertig wurde“, indem er ihn öffentlich beschimpfte, aus dem Amt jagen und seine Werke beschlagnahmen ließ. Interessanterweise hatte Girnus selbst Kunst studiert. Ob er allerdings persönlich Einfluss auf die Entscheidung für den Abriss des Schlosses gehabt hatte, sei dahingestellt.
Das „wir“ war vermutlich kollektiv gemeint, und das Kollektiv sprach bekanntlich einzig mit der Stimme Walter Ulbrichts. Und der hatte seine eigenen Pläne für die architektonische Neugestaltung des Berliner Stadtzentrums: „Der Lustgarten und das Gebiet der jetzigen Schlossruine müssen zu dem großen Demonstrationsplatz werden, auf dem der Kampfwille und Aufbauwille unseres Volkes Ausdruck finden.“ Das für Außenstehende kurios anmutende Konzept „Aufbau durch Abriss“ war bereits im Rahmen der Bodenreform angewendet worden und hatte prompt in eine Hungersnot geführt…
Mehr über den Abriss des Berliner Stadtschlosses lesen Sie in Jan Sperhakes Artikel in der DBZ 6/2025. Das Heft ist am 10. März 2025 erschienen. Abonnenten erhalten es immer etwas früher. Probehefte können Sie auch im Vertrieb anfordern.
Titelabbildung: Als Anfang der 1960er-Jahre am Marx-Engels-Platz das Staatsratsgebäude errichtet wurde, zierte das vor der Sprengung abgetragene ehemalige Portal IV des Berliner Schlosses die Fassade. Die SED bezeichnete es als „Liebknechtportal“. Sie war der Anekdote aufgesessen, Liebknecht habe vom Balkon dieses Portals aus die Republik ausgerufen. Dieser Block erschien am 21. August 1984 (Abb.: Michel, Block 77)
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