Literatur-Tipp: Kampf der Seuche
Mit der Veröffentlichung seines magnum opus im Jahr 2017 zur Behandlung von Seuchenpost in Frankreich und den besetzten Gebieten hatte der Medizin-Professor Guy Dutau in Fachkreisen weltweit Aufmerksamkeit erregt. Vorausgegangen waren mehr als drei Jahrzehnte, in denen er sich intensiv mit allen möglichen Aspekten der Seuche befasst hatte: dem Erscheinungsbild und Auftreten unterschiedlichster Epidemien durch die Jahrhunderte, der Behandlung der Kranken und dem Leben auf den Quarantänestationen, der Organisation und den Aufgaben des staatlichen Gesundheitsdienstes oder den Methoden der Desinfizierung von Cholerabriefen beispielsweise durch Essigbad und Räucherung.
In kurzer Zeit vergriffen
Als marcophiler Postgeschichtler hatte er die auf den Faltbriefen abgeschlagenen Stempel erfasst und die handschriftlich vermerkten Taxen erklärt, und aufmerksam hatte er den Inhalt der Briefe studiert, der Einblick in den Tagesablauf in den Lazaretten gab und aufschlussreiche Schlüsse auf den medizinischen Wissensstand der Zeit erlaubte. Kein Wunder, dass der Band binnen kürzester Zeit nicht mehr erhältlich war und schon 2018 eine Neuauflage nötig machte, die ebenfalls im Handumdrehen vergriffen war. Dann kam Corona. Das Thema Pandemie erhielt unvorhergesehene Aktualität; zwischen der geschichtlichen und der gegenwärtigen Situation ergaben sich augenfällige Parallelen bis hin zum Umgang mit der Seuche. Dutaus Buch rückte erneut in den Blickpunkt und wurde stark nachgefragt.
Unermüdlich in Archiven gesucht
Für den Forscher, der sich inzwischen in die Roll of Distinguished Philatelists hatte eintragen dürfen, verbot sich ein unveränderter Nachdruck. Da der Feind des Guten bekanntlich das Bessere ist, suchte er in Archiven unermüdlich weiter, fand ergänzende Dokumente und Informationen und konnte sich nun auch eingehend mit zwei Epidemien befassen, die in der Erstausgabe ausgespart geblieben waren: der Pockenepidemie von 1918/19 und der sog. Spanischen Grippe, die zwischen Ende des Ersten Weltkriegs und 1920 in drei Wellen zwischen 20 und 50 Millionen Menschenleben gefordert hatte. Das Ergebnis der zweijährigen neuerlichen passionierten Beschäftigung mit dem Thema sind mehr als 150 Seiten, die dem Ursprungsband hinzugefügt wurden. Unverändert blieb das opulente Bildmaterial in Form von Briefen, Dokumenten, Landkarten und zeitgenössischen Stichen, die den Band auch ästhetisch zu einem Augenschmaus machen. Eine nicht unbedeutende Neuerung besteht in der Aufnahme von Hinweisen, die eine Einschätzung der Seltenheit und damit des Werts der Seuchenbriefe erlauben.
Guy DUTAU, La désinfection du courrier en France et dans les pays occupés. Histoire, règlements, lazarets, pratiques. [Die Desinfizierung von Postsendungen in Frankreich und den besetzten Ländern. Geschichte, Verordnungen, Lazarette, Praxis]. 2. Überarbeitete und erweiterte Ausgabe. xxxiv + 827 S., A-4, mehr als 500 farbige Abb., satiniertes Papier; Hardcover. Canejan: copymédia, 2021. Preis: 95 Euro + EU-Porto/Verpackung 26,10 Euro. ISBN 978-2-9574406-0-3. Erhältlich beim Autor: 9, rue Maurice Alet, F–31400 TOULOUSE oder E-Mail: guy.dutau@wanadoo.fr.
Rainer von Scharpen